Attur – So fing alles an

Attur – So fing alles an

30 Jahre Partnerschaft mit Attur

Auf einer Reise durch Südindien im Jahr 1980 trafen wir den Leiter der Gemeinde in Attur auf dem großen Busbahnhof in Madras (heute Chennai) mitten unter unzähligen Inderinnen und Indern, die in alle Richtungen reisen wollten. Unser Flug war wegen Motorschaden der Maschine ausgefallen, der gebuchte Anschlusszug war weg und uns blieb nur ein Nachtbus, um an die Südspitze Indiens zu fahren. Das waren seltsame Wege und es entstanden besondere Aufträge Gottes, was uns aber erst viel später klar wurde.
20 Minuten Gespräch mit dem Pastor waren der Anfang eines langen gemeinsamen Weges mit der Gemeinde in Attur, die damals gegründet wurde. Erst nach einigen Jahren Briefkontakt wurden wir um Hilfe für den Gemeindeaufbau in Attur gebeten. Doch erst nach dem Besuch eines Studenten unserer damaligen Bochumer Gemeinde erhielten wir die Gewissheit, dass Hilfe dort gut angelegt ist. So ist es die ganzen Jahre geblieben und alle Hilfen und Aktionen wurden vorher abgesprochen, eingehalten und auf unterschiedliche Weise, oft mit Fotos belegt. Die offizielle Partnerschaft zwischen der Evangelischen Kirchengemeinde in Düsseldorf Garath und der Gemeinde in Attur besteht nun auch schon viele Jahre. Heute hat die Gemeinde in Indien über 200 Mitglieder, die aus einem Umkreis von über 30 km um Attur zusammenkommen. Christen sind in Indien eine kleine Minderheit, in Staat Tamil Nadu, in dem Attur liegt, etwa 2% der Bevölkerung.

Die Gemeinde

Attur ist eine nicht sehr große Stadt von etwa 60.000 Einwohnern. Die Menschen der Region leben von der Landwirtschaft und sind sehr abhängig von den mehr oder weniger eintreffenden Monsunregenfällen, die im Frühsommer und Herbst meist sehnlichst erwartet werden. In wenigen Fällen, wenn sie weit überdurchschnittlich fallen, gibt es Überschwemmungen, sehr oft sind sie aber zu gering und die ohnehin trockene Region leidet große Not. Nur wenige große Bauern haben tiefe Brunnen, die oft bis 400 m in den Untergrund gebohrt werden. Kleinere Brunnen, wie der an der Kirche und der Schule der Gemeinde, fallen regelmäßig trocken. Da wo es keine öffentliche Wasserleitungen und Brunnen gibt, wird in Trockenzeiten Wasser aus Tankfahrzeugen verteilt, sehr oft verkauft. Da die meisten Gemeindeglieder Bauern sind, gehen in schlechten Zeiten die Einkommen extrem zurück und auch die Spenden für die Gemeinde reichen kaum, um die Gemeindeaufgaben und den Lebensunterhalt des Pastors zu finanzieren.

Die Gemeinde ist unabhängig und in unseren Augen eine freikirchliche evangelische Gemeinde. Immer wenn wir nach Indien kommen erleben wir dort Gemeindestrukturen, wie sie in den frühen Christengemeinden in Jerusalem und Kleinasien zu finden waren. Andachten und Gottesdienste werden nicht nur in der kleinen Kirche in Attur abgehalten, sondern vor allem in Privathäusern in den umliegenden Dörfern. Da nicht alle Gemeindeglieder regelmäßig die oft weiten Wege nach Attur mit dem Bus, dem Fahrrad oder zu Fuß schaffen, gibt es auch angemietete Wohnhäuser, die als „Kirche“ dienen.

Alle Gemeindeglieder sind, bevor sie Christen wurden, Hindus gewesen und haben sich als Erwachsene taufen lassen. Menschen, die Christen werden nehmen in Südindien oft große Nachteile in Kauf. Nicht wenige neue Christen werden von ihren Familien oder Dorfgemeinschaften ausgestoßen und verlieren ihre Sicherheit in der Gesellschaft.Trotzdem begegnet uns in der Gemeinde eine Freude, die ansteckend wirkt. Inzwischen wächst die nächste Generation heran, die in den Familien der Gemeindeglieder als Christen geboren wurde. Familiengottesdienste, die einmal im Monat die gesamte Gemeinde in der Kirche in Attur versammeln, dauern bis in den Nachmittag. Schon lange passen nicht mehr alle Menschen in die bis Januar 2010 existierende Kirche, vor allem nicht mehr in das jetzt benutzte provisorische Gebäude. (die alte Kirche brannte leider ab. Inzwischen hat die Gemeinde den Wiederaufbau begonnen). Viele Menschen sitzen draußen, aber das Klima ist warm und geschlossene Fenster und Türen gibt es nicht. Die Lautsprecher reichen akustisch ohnehin weit über das Kirchengebäude hinaus. Regelmäßig bereiten mehrere Familien das gemeinsame gestiftete Essen für mindestens 120 bis 150 Personen vor. Bananenblätter sind das traditionelle „Einweggeschirr“, das, nachdem die Gemeinde gegessen hat, von Kühen und Schweinen vollständig gefressen und „beseitigt“ wird.

Besonders fiel uns bei unserem Besuch 2007 auf, dass die Kindergottesdienstgruppen stark gewachsen sind. Kinderfeste mit vielen Spielen und traditionellen Tänzen sind Höhepunkte im Kindergottesdienst. Seit 2 Jahren gibt es auch jede Woche eine Kindergottesdienstgruppe in einem Slum von Attur, in einer privaten Hütte. Dort drängen sich über 50 Hindukinder in einem kleinen Raum und lauschen gebannt biblischen Geschichten, die eine Frau der Gemeinde erzählt. Manche dieser Kinder tauchen auch sonntags im Gottesdienst auf.

Die Schule in Gopalapuram

Im Umland von Attur gibt es viele kleine Dörfer. Manche liegen an ausgebauten Straßen, viele sind aber nur abseits der Straßen über Feldwege erreichbar. Eine große Zahl von Menschen lebt auch in Lehmhütten direkt zwischen ihren Feldern, die sie bebauen. So sind die Wege zu den sehr wenigen und meist kleinen, kaum ausgestatteten, in unseren Augen sehr primitive staatlichen Schulen sehr weit. Das führt zu einer sehr hohen Rate von Erwachsenen und vor allem Kindern, die nicht lesen und schreiben können, obwohl es in Indien Schulpflicht gibt.

Schulraum für 410 Kinder (Stand 6.2010) / 510 Kinder (Stand Schuljahr 2014/2015)

1991 bat die indische Gemeinde um Unterstützung beim Aufbau einer Grundschule in Goplapuram, einem Dorf 20 km von Attur entfernt, um damals der extrem hohen Rate an Kindern ohne jegliche Schulausbildung entgegen zu wirken. Leider ist das Engagement des Staates in dem dünn besiedelten ländlichen Gebiet gering. Am Ort gibt es inwischen eine staatliche Schule mit 10 Klassen und 450            Kindern. Die Nachfrage nach Aufnahme in unsere Schule steigt aber weiter. Das liegt vor allem an der Qualität des Unterrichts. Unsere Gemeinde unterstützt die Schule bei allen Infrastrukturmaßnahmen. Niedrige Schulgelder, die die einfache Landbevölkerung bezahlen kann, finanzieren die überwiegenden Schul-Betriebskosten, wie z.B. die Gehälter des Lehrpersonals. So wird der Schulbetrieb möglichst unabhängig von externen Subventionen gehalten, die wir auf Dauer auch nicht leisten könnten.

Einzelheiten der Schule

  • Die Schule hat 2 Vorschul- und 5 Grundschuljahrgänge.
  • Sie wird als diakonische Einrichtung geführt (Dienst an der Bevölkerung), es werden keine Gewinne erwirtschaftet.
  • Die Schule steht allen Kindern, Jungen und Mädchen offen, unabhängig von der Religionszugehörigkeit. Der Anteil der Mädchen beträgt fast 50%.
  • Bei Schulgeldengpässen wird immer zum Wohl der Kinder entschieden, es wird kein Kind von der Schule verwiesen, ggf. auf Schulgelder verzichtet.
  • Derzeit gibt es für Härtefälle 54 Freiplätze,(Stand 6.2010) die durch Patenschaften finanziert werden. 5 Euro sind für den Unterricht und den Schulbustransport je Kind und Monat erforderlich.
  • Die Schule ist staatlich anerkannt und registriert.
  • Die Zeugnisse haben auch an anderen, insbesondere weiterführenden Schulen Gültigkeit. Mehr als 50% der abgehenden Kinder besuchen weiterführende Schulen. Die Kinderarbeit auf den Feldern wurde stark reduziert.
  • Der Lehrplan entspricht den staatlichen Vorgaben.
  • Die Schule erhält keine finanziellen Unterstützungen des indischen Staates.

Situation in den Klassenräumen Jede Jahrgangsstufe belegte zu Beginn dieses Schuljahres 2007/2008 einen Klassenraum. Zusätzlich ist ein Computerschulungsraum und ein kleines Büro vorhanden. Der Schulleiter wohnt mit seiner Familie in einem weiteren Klassenraum. Die Schule erfreut sich großer Beliebtheit und ist in der Bevölkerung anerkannt. Die Anmeldungszahlen steigen jedes Jahr stark an. (2006/2007 234 Kinder, 2007/2008 260 Kinder, 2009/2010 330 Kinder, 2010/2011 410 Kinder) Die beiden Vorschuljahrgänge sind inzwischen dreizügig, die übrigen 5 Jahrgänge mit Ausnahme des obersten Jahrgangs haben jeweils 2 Klassen.

Ziele des Schulprojekts Zusammen mit der Partnergemeinde möchten wir die Schülerzahl möglichst nicht limitieren und möglichst vielen Kindern einen Start in eine bessere Zukunft ermöglichen. Deshalb soll die Zahl der Schulklassen um 6 Räume erweitert werden, damit alle Klassen zumindest zweizügig möglich sind. Im Sommer 2007 begannen die Bauarbeiten für die ersten beiden Ergänzungsklassen. Sie wurden schon im Rohbaustadium für den Unterricht genutzt. Zwei weitere folgten 2009. 2 Klassen und Nebenräume sollen abschnittsweise folgen und sind auf dem vorhandenen Gelände unterzubringen.